Editorial 13.03.2023, 00:00 Uhr

Zäsuren

Wir schreiben das Jahr 2007. Steve Jobs stellt das erste iPhone vor. Live auf der Bühne zeigt er, was daran revolutionär ist.
(Quelle: Sebastian Scharnagl)
Das Erscheinen des iPhones setzte eine Zäsur – wie der erste IBM-PC im Jahr 1981. Beide waren der Beginn einer neuen Ära. Steve erhielt noch Szenen­applaus für eine Swipe-Geste, um durch Musiktitel zu blättern. Die Präsentation der Vereinigung von Telefon- und iPod-Funktionalität in einem Gerät führte zu euphorischem Gekreische im Auditorium.
Wir schreiben das Jahr 2023. OpenAI stellt die trainierte KI ChatGPT vor. Eine Präsentation gibt es dazu nicht. Trotzdem ist der Chat-Bot vier Monate später in aller Munde. Die regulären Nachrichtenkanäle berichten darüber. Viele Experten beleuchten die Fähigkeiten und Einschränkungen des trainierten Netzwerks und es entbrennen Diskussionen, wie man Texte der KI von handgedengeltem Text unterscheiden kann.

Noch einmal: Nur vier Monate
hat es gedauert zwischen der Vorstellung und
dem momentanen Höhepunkt des Hypes.

Auch ChatGPT als billiger Coding-Sklave wird heiß diskutiert. Mit nur dürren Anweisungen gefüttert, spuckt die KI fertigen Quellcode aus, der in vielen Fällen tatsächlich die Anforderungen erfüllt und funktioniert. Manche sind aber der ­Meinung, eine solche KI könne einen Entwickler trotzdem nicht ersetzen, denn schließlich fehle den so erzeugten Projekten zum Beispiel die saubere Architektur, die für Wartbarkeit und Evolvierbarkeit sorgt.
Andere wiederum sagen, dass Schnittstellen beispielsweise auf diese Weise immens schnell fertiggestellt werden könnten. Viele Bugs würden vermieden, denn die KI macht keine Tippfehler. Dröge Coding-Arien könnten entfallen. Der Entwickler muss nur die richtigen Wörter für die Anforderungen finden. Damit kitzelt er aus der KI schon den passenden Quellcode heraus.
Ganz egal, wie sich das noch entwickelt und ob die einen oder die anderen recht haben: Der Job des Entwicklers wird sich verändern. Während er früher wissen musste, mit welchen Parametern die Funktion XYZ gefüttert wird, muss er nun lernen, wie er seine Anforderungen so formuliert, dass die KI einen Quellcode he­raus­gibt, der sich ohne viel Nacharbeit einsetzen lässt.
ChatGPT stellt eine Zäsur dar. Zwar ist sie nicht perfekt, aber dieser Art der KI mit Kommunikation in natürlicher Sprache steht eine goldene Zukunft bevor. Wir Entwickler tun gut daran, zu lernen, wie wir sie als zusätzliches Werkzeug nutzen.
Viel Spaß mit der dotnetpro
Tilman Börner
Chefredakteur dotnetpro
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