Kunst und Krempel

Die Klamotten, die er trug, waren picobello sauber. Trotzdem sah man ihnen an, dass sie ihren Zenit schon überschritten hatten. Nachdem ich Kaffee für uns bestellt hatte, begann er zu erzählen.

„Ich hätte es wissen müssen. Ein Initial Commit des nagelneuen Hex-Editors Hexala – das konnte nicht gut gehen. Er konnte nie so viel wert sein wie der Regex-Parser von NodaStream.“ Ehrlich gesagt verstand ich nur Bahnhof und machte das auch durch meinen etwas dümmlichen Gesichtsausdruck deutlich.

„Non-fungible tokens? NFT? Opensea.io?“, versuchte er zu eruieren, wie tief mein Wissensdefizit reichte. „Intellectual property?“ Mein zögerliches Nicken zeigte ihm die ganze Leere in meinem Kopf.

„Es gibt nicht nur in der realen Welt Kunstwerke. Auch digital kannst du Bilder, Musik, Videos et cetera erschaffen. Das Problem ist nur, dass sich die digitalen Kunstwerke durch einen Kopierbefehl vervielfachen lassen. Somit ist es kein Unikat und das Kunstwerk wird wertlos. Mit einem Non-Fungible Token kann ich aber genau das erreichen: Das digitale Stück wird einzigartig. Eine Blockchain sorgt dafür. Für Kunstwerke wie Bilder oder kurze Videos wurden so schon viele Tausend Dollar bezahlt, oder besser ein paar Ether – die digitale Währung.“

Der Kellner unterbricht seinen Vortrag. Schluck Kaffee, die Schatten in meinem Gesicht werden blasser, weiter geht es. „Die Frage ist doch:

Somit kann der Commit, den ein Entwickler tätigt, auch durch ein NFT belegt sein, und er kann gehandelt werden. Und genau das habe ich gemacht. Ich habe investiert, in den Regex-Parser von NodaStream. Das hat mich zwischenzeitlich nahezu zum Millionär gemacht. Ich bekam Angebote, die waren sittlich schon nicht mehr korrekt. Doch dann hörte ich von dem Initial Commit, und – das musst du verstehen – ein Initial Commit für eine Software, die später von Millionen von Menschen benutzt wird, oder eine Bibliothek, die in Tausenden von anderen Programmen genutzt wird, stellt einen Wert dar, der unglaublich ist. Also verkaufte ich NodaStream und investierte in den Hex-Editor. Nur leider ging die Software nie durch die Decke, sondern versandete nach wenigen Monaten. So schnell wie gewonnen, so schnell war mein Geld wieder futsch.“

Anmerkung der Redaktion: Sollten Sie der Meinung sein, das sei alles erfunden, dann leiten Sie Ihren Browser doch mal auf diesen URL: https://gitnft.quine.sh

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Tilman Börner

Chefredakteur dotnetpro