07.07.2005, 00:00 Uhr

Software-Patente scheitern in Brüssel

Das Europäische Parlement hat sich gegen den Entwurf der Kommission ausgesprochen.
Das Europäische Parlament hat gestern die von der EU-Kommission vorgelegte Richtlinie zu Software-Patenten mit 648 von 680 abgegebenen Stimmen abgelehnt. Damit ist die Kommission mit ihrem Plan, Computerprogramme patentierbar zu machen, vorerst gescheitert.

Die Debatte der Richtlinie "zur Patentierbarkeit Computer-implementierter Erfindungen", wie ihr eigentlicher Name lautet, währt seit 2001. Das Regelwerk sollte die unterschiedlichen Vorschriften in den EU-Mitgliedsländern vereinheitlichen. Der Entwurf führte schnell zur Lagerbildung: grob gesagt die Vertreter der großen Industrie und etablierten nationalen Parteien auf der einen Seite, die Vertreter kleiner Firmen und freier Programmierer, die Verfechter des Open-Source-Prinzips und die Abgeordneten des Europäischen Parlaments andererseits.

Bei der ersten Lesung im EU-Parlament im September 2003 stimmen die Abgeordneten mehrheitlich gegen den Entwurf, da er ihrer Meinung nach den Begriff des "technischen Beitrags" nicht klar genug fasste. Sie versahen die Vorlage mit Zusätzen, um Computerprogramme als solche von der Patentierbarkeit freizustellen, und forderten die Kommission auf, die Auswirkungen der Richtlinie vor allem auf kleine Unternehmen zu untersuchen.

Im März 2005 einigten sich die Minister der EU-Mitgliedsstaaten auf einen geänderten Entwurf, der jedoch die Wünsche des EU-Parlaments weitgehend ignorierte. Ein Hearing mit Rechtsexperten im Parlament ergab, dass der Begriff des "technischen Beitrags" nach wie vor unklar sei und die Patentierbarkeit von Software als solcher ermögliche. Der Ausschuss machte sich jedoch die Position der Industrie zueigen, wies die Anmerkungen des Parlaments überwiegend zurück und sprach sich für den neuen Entwurf und die Patentierbarkeit von Programmen aus. Damit ist er nach der gestrigen Abstimmung gescheitert.

Die bisherige Situation

Laut des Europäischen Patentübereinkommens von 1973 wird ein Patent nur einer Erfindung erteilt, die eine neuartige Lösung bietet und industriell anwendbar ist. Patente auf Computerprogramme sind ausdrücklich ausgeklammert. Trotzdem hat das Europäische Patentamt Tausende von Software-bezogenen Erfindungen patentiert. Bei einer ABS-Bremse beispielsweise betrachtet es die Software als einen "technischen Beitrag" und deshalb als (mit-)patentierbar.

Die bisherigen Richtlinien gelten zwar in den Mitgliedsstaaten des Patentabkommens, werden jedoch mitunter sehr unterschiedlich interpretiert. Der Kommissionsentwurf von 2002 sollte diese Unklarheiten eindämmen und die nationalen Patentvorschriften vereinheitlichen. Wie gehabt sollte Software nur dann geschützt sein, wenn sie in Verbindung mit einem Gerät einen "technischen Beitrag" leiste. Reine Algorithmen sollten nicht betroffen sein.

Die großen Software-Firmen wollten auch Programme selbst komplett schützen. Kleinere Unternehmen bevorzugten einen lockereren Schutz, der sich auf die Gesamtlösung bezieht und sich nicht auf die Software konzentriert und die darunterliegende Software ungeschützt lässt. Viele kleinere Firmen bevorzugten ein am Urheberrecht orientiertes System, wobei sie jedoch vor allem die verwaltungstechnischen Kosten im Blick hatten, die ein Patentantrag mit sich bringt.

Patent und Urheberrecht

Ein Patent gewährt dem Patenteigner ein Besitzrecht und verbietet es anderen, das Verfahren zu verwenden. Es wird gewöhnlich für 20 Jahre gewährt. Das Recht kann verkauft, vermietet oder lizensiert werden. Ein Urheberrecht schützt eine Arbeit, die auf einer Idee oder einem Konzept beruht. Darunter fallen beispielsweise künstlerische Werke aus Literatur, Musik und Film. Es verbietet, ein solches Werk ohne Erlaubnis des Urhebers zu kopieren oder kommerziell zu verwerten und ist 70 Jahre lang gültig. Im Gegensatz zu Patentanträgen lässt sich ein Urheberrecht relativ einfach und günstig registrieren. Die Kosten eines Patentantrags liegen dagegen zwischen 10 000 Euro in den USA und 50 000 Euro beim Europäischen Patentamt.

Beim Europäischen Patentamt in München machen Software-bezogene Anträge inzwischen mehr als 15 Prozent aller vorgelegten Erfindungen aus. Nach einer Studie von Daniel Johnson, Assisant Professor am Economics & Business Department des Colorado College, besitzen kleinere und mittlere Firmen etwa 20 Prozent aller in den vergangenen fünf Jahren vom Europäischen Patentamt erteilten Software-Patente. Die anderen 80 Prozent sind im Besitz der großen Industrie oder von Behörden.

Das Europäische Patentamt ist übrigens keine Institution der EU, sondern das Exekutivorgan der Europäischen Patentorganisation und wurde von eruopäischen Staaten 1973 in München durch das Europäischen Patentübereinkommen gegründet.



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