Bitkom 13.07.2021, 11:17 Uhr

Blockchain stagniert in Deutschland

Die Mehrheit der Unternehmen hält Blockchain zwar für eine wichtige Zukunftstechnologie, aber nur zwei Prozent nutzen die Technologie oder haben Pilotprojekte gestartet. Die Hälfte sieht Deutschland international als Blockchain-Nachzügler oder sogar abgeschlagen.
(Quelle: Bitkom.org)
Eine Mehrheit der Unternehmen in Deutschland hält Blockchain für eine wichtige Zukunftstechnologie, aber nur eine Minderheit hat sich generell mit dem Thema und den Einsatzmöglichkeiten im eigenen Unternehmen beschäftigt. Das ist das Ergebnis einer repräsentativen Umfrage unter 652 Unternehmen ab 50 Beschäftigten im Auftrag des Digitalverbands Bitkom. 59 Prozent stimmen der Aussage zu, dass die Blockchain-Technologie eine der wichtigsten Zukunftstechnologien ist und dennoch stark unterschätzt wird. Unter größeren Unternehmen liegt der Anteil noch höher und erreicht 74 Prozent bei denjenigen mit 500 bis 1.999 Beschäftigten und 82 Prozent bei denen ab 2.000 Beschäftigten. Umgekehrt meinen nur 25 Prozent aller Unternehmen, die Blockchain-Technologie werde überschätzt und sei für die Praxis untauglich. Bei den größeren Unternehmen sind es sogar nur 14 Prozent (500 bis 1.999 Beschäftigte) beziehungsweise 11 Prozent (ab 2.000 Beschäftigte). Zugleich geben aber nur 43 Prozent der Unternehmen an, dass sie sich mit der Blockchain-Technologie generell beschäftigt haben – und nur jedes Vierte (26 Prozent) sagt, dass man dem Thema Blockchain interessiert und aufgeschlossen gegenübersteht. Jedes Dritte (32 Prozent) sieht die Blockchain demgegenüber eher kritisch oder ablehnend. "Die Blockchain ist eine Basistechnologie, die Chancen für neue Produkte und neue Geschäftsmodelle in den unterschiedlichsten Branchen eröffnet, vom Finanzwesen über die Logistik bis zur Energieversorgung", sagt Bitkom-Hauptgeschäftsführer Dr. Bernhard Rohleder. "Diese Erkenntnis ist in der Wirtschaft durchaus angekommen. Ihren Weg in die praktische Umsetzung muss sie in den Unternehmen aber erst noch finden."

Mangel an Know-how, fehlende Use Cases

Die größten Herausforderungen rund um den Einsatz von Blockchain-Anwendungen sehen die Unternehmen in fehlendem eigenen Know-how (87 Prozent) und einem Mangel an qualifiziertem Personal (81 Prozent). An dritter Stelle wird von 79 Prozent beklagt, dass es keine belastbaren Use Cases für den Blockchain-Einsatz gibt. Jeweils rund drei Viertel sehen eine ungenügende Standardisierung der Technologie (74 Prozent) sowie rechtliche Unsicherheiten beim Einsatz (73 Prozent). Dicht dahinter folgen Anforderungen an den Datenschutz (69 Prozent) und die IT-Sicherheit (62 Prozent). 67 Prozent sind der Meinung, die Blockchain-Technologie sei noch nicht ausgereift, 58 Prozent fehlen Performance und Skalierbarkeit der Technologie. Nur rund die Hälfte (52 Prozent) hat nicht das nötige Geld und in 3 von 10 Unternehmen (31 Prozent) scheitert die Blockchain an mangelnder Unterstützung durch die Geschäftsführung.

Wissen über Blockchain kommt selten in der Praxis an

Verglichen mit der letzten Bitkom-Blockchain-Befragung aus dem Jahr 2018 hat das Wissen über zentrale Blockchain-Fachbegriffe zugenommen. So haben inzwischen 38 Prozent von Initial Coin Offerings (ICO) oder Token Sales gehört, vor drei Jahren waren es erst 20 Prozent. Von Distributed Ledger Technology haben 41 Prozent gehört (2018: 26 Prozent), Smart Contracts sind 56 Prozent ein Begriff (2018: 46 Prozent) und Bezeichnungen rund um Identitätsmanagement wie Self-Sovereign-Identity sagen 68 Prozent etwas (2018: 52 Prozent). Am bekanntesten sind verteilte Netzwerke (von 88 Prozent auf 93 Prozent) und Kryptowährungen (unverändert 99 Prozent).
Doch das Wissen wird weiterhin nur selten in der Praxis genutzt. 9 von 10 Unternehmen (87 Prozent) haben sich noch nicht mit Einsatzmöglichkeiten der Blockchain im eigenen Unternehmen beschäftigt. Vor drei Jahren war der Anteil genauso hoch (86 Prozent). Jeweils gerade einmal 1 Prozent der Unternehmen geben an, dass sie Blockchain-Technologie im Einsatz haben oder die Implementierungs- oder Testphase erster Projekte gestartet haben (2018: jeweils 2 Prozent). 2 Prozent befinden sich in der Analyse- und Informationsphase (2018: 2 Prozent) und 3 Prozent diskutieren den Blockchain-Einsatz, allerdings noch ohne konkrete Pläne (2018: 2 Prozent). Weitere 4 Prozent haben die Nutzung diskutiert, sich dann aber dagegen entschieden (2018: 3 Prozent). "Die Blockchain-Technologie eignet sich nicht für jedes Anwendungsszenario. Etablierte, klassische Technologien können für viele Aufgaben geeigneter sein", sagt Rohleder. "Auch wenn die Blockchain nicht überall die Technologie der Wahl ist, kann sie in einigen Bereichen eine echte Revolution lostreten."
In den Unternehmen, die Blockchain einsetzen, dies planen oder diskutieren, findet dies zumeist im Bereich Finanzen, Buchhaltung und Controlling statt (73 Prozent). Mit deutlichem Abstand liegt Logistik, Lager und Versand mit 35 Prozent auf Platz zwei, vor Einkauf (34 Prozent) sowie Produktion, Fertigung und Projektabwicklung (34 Prozent). Der Personalbereich kommt auf 24 Prozent, Marketing, Kundenservice und Vertrieb auf 15 Prozent und das Schlusslicht bildet Forschung und Entwicklung mit 2 Prozent.

Zurückhaltung bei strategischem Vorgehen und Investitionen

Drei Viertel der Unternehmen (72 Prozent), die Blockchain nutzen, dies planen oder diskutieren, verzichten dabei auf eine Blockchain-Strategie. Vor drei Jahren lag der Anteil mit 80 Prozent noch etwas höher. Gerade einmal 3 Prozent haben eine zentrale Blockchain-Strategie (2018: 2 Prozent), 6 Prozent entwickeln derzeit eine (2018: 5 Prozent) und fast jedes Fünfte (19 Prozent) ist im vorbereitenden Diskussionsprozess (2018: 11 Prozent).
Entsprechend hat die große Mehrheit der Unternehmen (80 Prozent) bislang noch nicht in die Blockchain investiert und es fehlen auch entsprechende Pläne. Gerade einmal 3 Prozent haben bereits Blockchain-Investitionen getätigt, 14 Prozent planen dies für das laufende Jahr oder die kommenden Jahre. Dabei gilt: Je größer die Unternehmen, desto häufiger wurde bereits investiert und soll in Zukunft investiert werden. Unter den Unternehmen mit 500 bis 1.999 Beschäftigten haben so zwar 70 Prozent keine Investitionen getätigt und auch keine entsprechenden Absichten, aber 10 Prozent haben in der Vergangenheit investiert und 18 Prozent planen dies für 2021 oder später. Bei den Unternehmen ab 2.000 Beschäftigten wollen dagegen nur 49 Prozent gar nicht investieren. Dem stehen 13 Prozent gegenüber, die bereits investiert haben und 35 Prozent mit entsprechenden Plänen für die Zukunft. "Dass große Unternehmen bei neuen Technologien vorangehen, ist nicht ungewöhnlich", so Rohleder. "In Deutschland haben wir aber einen außergewöhnlich breiten und innovativen Mittelstand. Der Mittelstand könnte und sollte sich viel stärker an der Entwicklung und dem Einsatz der Blockchain beteiligen."
Die meisten Unternehmen, die keine Investitionspläne haben, geben zur Begründung an, dass sich durch die Corona-Pandemie die Prioritäten verschoben haben (63 Prozent). Jeweils jedes dritte Unternehmen beruft sich auf die unklare Rechtslage (37 Prozent) und das fehlende interne Fachwissen (34 Prozent), 32 Prozent wollen zunächst abwarten, welche Erfahrungen andere Unternehmen sammeln. Jedes Vierte (24 Prozent) sieht für sich keinen Nutzen für den Blockchain-Einsatz, 18 Prozent haben kein Budget. Rund jedem siebten Unternehmen (14 Prozent) fehlt es an der Zeit, sich mit der Blockchain zu beschäftigen, 9 Prozent investieren bereits in andere Zukunftstechnologien und verzichten daher auf Blockchain-Investitionen.

Mäßiges Zeugnis

Insgesamt stellen sich die Unternehmen ein bescheidenes Zeugnis beim Thema Blockchain aus. 9 von 10 Unternehmen (86 Prozent) sehen sich selbst als Nachzügler, 9 Prozent trauen sich keine Einschätzung zu und nur 6 Prozent halten sich für Vorreiter. Vor allem Banken und andere Finanzdienstleister sehen sich bei der Blockchain vorne, unter ihnen beträgt der Anteil der Vorreiter 13 Prozent, in der IT- und Telekommunikationsbranche sind es 12 Prozent. Dahinter folgen mit jeweils 8 Prozent der Maschinen- und Anlagenbau sowie Verkehr und Logistik, im Automobilbau sind es 7 Prozent. Unter den Versicherungen bezeichnen sich 5 Prozent als Blockchain-Vorreiter, in der Energie- und Wasserversorgung 4 Prozent und im Handel gerade einmal 2 Prozent.
Auch das Urteil über die deutsche Wirtschaft als Ganzes fällt beim Thema Blockchain mäßig aus. Als weltweit führend oder in der Spitzengruppe sieht Deutschland niemand, die Hälfte (49 Prozent) verortet das Land im Blockchain-Mittelfeld und jedes dritte Unternehmen (35 Prozent) unter den Nachzüglern. 14 Prozent sehen Deutschland bei der Blockchain sogar abgeschlagen. Rohleder: "Wir müssen unsere Anstrengungen verstärken, damit Deutschland bei der Blockchain den Anschluss nicht verpasst. Die Blockchain-Strategie der Bundesregierung war ein wichtiger erster Schritt, sie muss aber noch stärker mit Leben gefüllt werden."
Auch die Unternehmen wünschen sich eine stärkere politische Flankierung bei der Blockchain. Drei Viertel (77 Prozent) sind der Meinung, die Bundesregierung sollte sich stärker in Standardisierungsaktivitäten einbringen. 61 Prozent wünschen sich, dass die Ausbildung von Blockchain-Spezialistinnen und -Spezialisten vorangetrieben wird. Vor drei Jahren wurde dieser Wunsch nur von 52 Prozent geteilt. Weiter verbreitet ist auch der Ruf, dass Ämter und Behörden Vorreiter beim Einsatz der Blockchain-Technologie sein sollen, der Anteil ist von 47 auf 60 Prozent gestiegen. Eine klare Mehrheit von 58 Prozent ist der Meinung, dass die Entwicklung der Blockchain-Technologie kurzfristig massiv durch öffentliche Forschungsförderung unterstützt werden muss (2018: 49 Prozent). Ebenfalls eine Mehrheit der Unternehmen (57 Prozent) hält es für richtig, dass die Bundesregierung 2019 eine eigene Blockchain-Strategie veröffentlicht hat und diese nun umsetzt. Allerdings sind zugleich drei Viertel (73 Prozent) der Meinung, dass deutsche Politikerinnen und Politiker die Bedeutung von Blockchain noch nicht verstanden haben.


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