Fraunhofer
01.07.2016, 00:00 Uhr
Wie wir 2053 leben wollen
Fraunhofer-Forscher haben im Projekt "Shaping Future" ein Vorgehensmodell entwickelt, mit dem Bürger ihre Ansprüche an Zukunftstechnologien beschreiben und mit Wissenschaftlern teilen können.
Für den Erfolg von Innovationen ist es entscheidend, wie Nutzer diese akzeptieren. Doch bislang fehlt es an Prozessen, wie Bürger sich mit Forschern dazu austauschen können. Im Projekt "Shaping Future" hat das Center for Responsible Research and Innovation CeRRI am Fraunhofer-Institut für Arbeitswirtschaft und Organisation IAO ein Vorgehensmodell entwickelt, das genau das ermöglicht: Menschen können ihre Wünsche und Anliegen an technische Zukunftslösungen artikulieren, Technologiebedarfe beschreiben und diese mit Experten der Fraunhofer-Gesellschaft austauschen. Diese haben die Möglichkeit, Ideen aufzunehmen, weiterzuentwickeln und für zukünftige Forschungsarbeiten zu nutzen. In Roadmaps zeigen die Wissenschaftler, welche technologischen Schritte erreicht und welche sozialen und juristischen Bedingungen erfüllt sein müssen, um die Ideen zu realisieren. Designer haben aus besonders vielversprechenden Ideen spekulative Prototypen gefertigt, um sie als interaktive Exponate in einer Ausstellung sowohl einem Fachpublikum als auch der breiten Öffentlichkeit vorzustellen. Diese sind vom 30. Juli bis zum 26. Oktober 2016 im JOSEPHS zu sehen, einem interaktiven Ausstellungsort in der Nürnberger Innenstadt, betrieben von Fraunhofer und der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg.
Ein wichtiges übergreifendes Ergebnis war, dass sich viele der Teilehmenden möglichst unsichtbare, weiche Technologien wünschten, die sich auch gut am Körper tragen lassen. Eine weitere Rolle spielten Raummodelle, die es flexibel erlauben, sich je nach Bedarf individuell zurückzuziehen oder mit anderen Menschen zu interagieren. Eine Idee waren beispielsweise Schutzkapseln für öffentliche Verkehrsmittel, die in Bussen oder Straßenbahnen angebracht sind, und die man sich flexibel über Kopf und Rumpf ziehen kann, sobald man ungestört für sich sein will. Gefragt waren auch Technologien, die helfen, die eigene geistige und körperliche Leistungsfähigkeit zu verbessern. »Vor dem Hintergrund einer immer komplexer werdenden Welt wünschen sich viele Menschen eine Art Big Mother, die einem hilft, Entscheidungen zu treffen und besser mit Stress oder körperlichen Anstrengungen umzugehen«, berichtet Marie Heidingsfelder. Sie ist am Fraunhofer Center for Responsible Research and Innovation CeRRI in Berlin verantwortlich für das Forschungsprojekt. Schließlich bestand der Wunsch, dass Maschinen menschliche Emotionen als eine Art Dolmetscher besser an andere Menschen weitergeben sollten. Zum Beispiel in Form von übertragbaren Erinnerungsspeichern, die es auch anderen Menschen ermöglichen, selbst erlebte Ereignisse emotional nachzuempfinden. Beim Thema Gesundheit war wenig von Ärzten und Krankenhäusern die Rede. Die Menschen wollten vielmehr Technologien, die sie befähigen, sich selbst zu diagnostizieren und zu heilen. »Das Krankenhaus der Zukunft stellten sich die Teilnehmer unseres Workshops beispielsweise als Drive-In-Variante vor«, erzählt Heidingsfelder.
Aus den Impulsen der Bürgerinnen und Bürger entwickelten Expertinnen und Experten der Fraunhofer-Institute FIT, IAIS, IAO, IAP, IFF, IML, IOF, IPA, IZM und MEVIS insgesamt acht Technologie-Roadmaps – Blaupausen für neue Forschungsprojekte oder Produktinnovationen:
- Mobility Cocoon: Individuell ausprägbare Transportkapseln, die untereinander konfigurierbar sind und eine Tür-zu-Tür-Lösung ermöglichen.
- Modulares Enhancement Set: Modulares Exoskelett, das Menschen in Alltagssituationen unterstützt, wenn besondere, körperlich anstrengende Herausforderungen bewältigt werden müssen.
- Muscle to Go: Ein Gel, das die Rekonstruktion des eigenen Körpers nach Unfällen, schweren Krankheiten oder Tumoren ermöglicht. Denkbar ist auch der Einsatz im Bereich Enhancement, beispielsweise der kosmetischen Chirurgie.
- Soziale Firewall: Lernfähige Technologie, die eine Fokussierung auf »wichtige« Dinge ermöglicht.
- Diagnose-Behandlungs-Tool: Körpernahe Technologie, die Krankheiten erkennt und passende Ärzte, Therapien und Medikationen empfiehlt.
- Smart-Buddy: Lernendes KI-System, das je nach Stimmung priorisierte Handlungsempfehlungen gibt und Kontakte im Umfeld nach individuellen Interessen filtert und anbahnt.
- Mentor-Earable: Sensorbasierte In-Ear-Variante der sozialen Firewall.
- Emo-Lens: Kontaktlinse, die anzeigt, in welcher emotionalen Verfassung das Gegenüber ist.
Hier finden Sie den kompletten Text zum Fraunhofer-Beitrag "Wie wir 2053 leben wollen" als PDF. [bl]