Milad Safar, Weissenberg Group 06.05.2019, 14:23 Uhr

Was ist eigentlich Robotic Process Automation (RPA)

Was verbirgt sich hinter RPA? Wie funktioniert RPA? Welche sind die typischen Anwendungsfälle?  Milad Safar, Managing Partner der Weissenberg Group gibt Antworten auf die wichtigsten Fragen.
(Quelle: https://weissenberg-group.de)
Robotic Process Automation (RPA) ist eine Softwaretechnologie, die Front- und Back Office Prozesse automatisiert durchführt. RPA, manchmal auch als Software-Roboter oder Bot bezeichnet, imitiert, wie Menschen ihren Computer bedienen, Anwendungen nutzen und Prozesse durchführen. Durch das Nachahmen von Benutzereingaben über die Benutzeroberfläche einer Anwendung entfällt das aufwendige Programmieren einer Anwendungsschnittstelle. RPA greift nicht in die bestehenden Systeme oder die IT-Infrastruktur eines Unternehmens ein oder nimmt Veränderungen in den Anwendungen vor. Somit muss kein kostspieliges Investment zur Anpassung der Software erfolgen.
Wie arbeitet ein Software-Roboter?
Der Software-Roboter ahmt das Verhalten eines menschlichen Nutzers nach. Dazu loggt er sich in verschiedene Anwendungen ein und führt die bisher von Mitarbeitern durchgeführten Aufgaben aus. In der Regel handelt es sich dabei um repetitive Routinevorgänge, wie das Verschieben von Dateien und Ordnern, das Kopieren, Einfügen und Vergleichen von Daten, das Ausfüllen von Formularen oder das Extrahieren strukturierter und halbstrukturierter Daten aus Dokumenten.
Wie intelligent sind Software-Roboter?
Software-Roboter werden mit Hilfe von Experten aufgesetzt und arbeiten anhand eines festgelegten Prozessworkflows. Sie verfügen daher nur über so viel Intelligenz, wie die im Workflow festgelegten Regeln es zulassen.
Die Zukunft wird aber den sogenannten kognitiven RPA-Systemen gehören. Basierend auf Algorithmen der Künstlichen Intelligenz werden die Einsatzmöglichkeiten von RPA erweitert, so dass die Software-Roboter komplexe Prozesse weitgehend selbständig bearbeiten können, ohne für einen bestimmten Prozess vorkonfiguriert oder programmiert worden zu sein. Sie werden in der Lage sein, automatisch Inhalte von Textdokumenten wie ein Mensch zu verstehen, menschliche Sprache zu analysieren und unmittelbar mit dem Menschen zu interagieren.
Was unterscheidet RPA von Makros, Screen-Scraping oder Skripten?
Ein Makro ist eine kurze Codesequenz, die immer wieder manuell gestartet werden muss, um eine einzelne Aufgabe auszuführen. Gängige Makros sind Tastatur- und Mauskürzel sowie Textsubstitutionen. Eng mit dem Makro verbunden ist das Skript. Skript ist ein allgemeiner Begriff für eine Folge von Computercodes, die ein bestimmtes Verfahren oder eine Reihe von Aufgaben ausführen. Im Gegensatz zu Makros und Skripten können Software-Roboter mit weitaus komplexerer Logik operieren und anwendungsübergreifend Abläufe und Aufgaben in verschiedenen Applikationen ausführen und sie benötigen hierzu keinen Zugriff auf Datenbanken oder Schnittstellen. Sie können zum optimalen Zeitpunkt auf mehrere Systeme zugreifen und abhängig von Inhalt und Dauer Informationen beschaffen und Operationen durchführen. Darüber hinaus legen die meisten Enterprise-RPA-Tools großen Wert auf Governance, was bei Makros oder Skripts nicht möglich ist. Die robotergestützte Prozessautomatisierung ist weit mehr als nur ein Makro oder eine Kurzdarstellung für Codezeilen.
Beim Screen-Scraping geht es um die Erfassung des Bildschirms. Es dient dazu, spezifische Informationen in Webformularen zu erfassen und in entsprechende Felder zu platzieren. RPA-Tools ähneln zwar dem Aussehen und Verhalten primitiver Screen-Scraping-Methoden und können diese als eine von mehreren Möglichkeiten nutzen, um Information zu „lesen“. Sie sind jedoch in Bezug auf die Funktionen viel weiter fortgeschritten und bieten einen wesentlich reiferen, flexibleren, skalierbareren und verlässlicheren Ansatz für den Einsatz in Unternehmen.
Was ist der Unterschied von RPA zu Business Process Optimization?
Bei RPA handelt es sich um Lösungen, welche hochvolumige, manuelle Aufgaben über desktopbasierte Anwendungen hinweg automatisieren. RPA wurde entwickelt, um die Belastung der Mitarbeiter durch repetitive, alltägliche Aufgaben zu reduzieren und die Effizienz und Produktivität des Unternehmens zu steigern.
Business Process Optimization beinhaltet die Analyse und Verbesserung von Prozessen. Das heißt, es wird jede Abfolge von Ereignissen oder Aufgaben im Unternehmen analysiert, um die Effizienz zu verbessern. Die Prozesse werden optimiert, indem sie entweder umstrukturiert oder automatisiert werden oder ihre Funktionsweise vollständig verändert wird.
Warum ist RPA derzeit so im Trend?
In jedem Unternehmen sind Digitalisierung und Effizienzsteigerung derzeit die ganz großen Themen. RPA bedient beide Themen gleichermaßen: Es bietet einen einfachen Einstieg in die Digitalisierung von Geschäftsprozessen und gleichzeitig lassen sich eine Vielzahl von Büro- und Verwaltungsarbeiten sowie Vertriebs- und verwandte Aufgaben wesentlich effizienter erledigen. Die besonderen Vorteile von RPA liegen in der Kosten- und Zeitreduktion. Dazu kommt eine Qualitäts- und Produktivitätssteigerung durch Vermeidung menschlicher Fehler und die verkürzte Reaktionszeit auf Kundenanforderungen.
Ist RPA ein Jobkiller?
Eindeutig Nein! RPA befreit Mitarbeiter von lästigen Routinearbeiten. Das Know-how der Mitarbeiter wird nicht an Tätigkeiten verschwendet, die ein Roboter besser erledigen kann. Die Mitarbeiter können sich ihren Fachkenntnissen entsprechend auf komplexere Tätigkeiten konzentrieren, die menschliche Stärken erfordern, wie zum Beispiel emotionale Intelligenz, Argumentation, Urteilsvermögen. Auch wegen des Fachkräftemangels in Deutschland werden in den seltensten Fällen Mitarbeiter aufgrund der Automatisierung ihres Arbeitsplatzes entlassen. Vielmehr schafft die Automatisierung Freiräume für wertschöpfendere Tätigkeiten.
Was sind aktuell die typischen Anwendungsfälle für RPA?
Typische Anwendungsszenarien sind die Bearbeitung von Bestellungen und von Kundenanfragen, die Realisierung von Datenübertragungen, die Abrechnungen und Änderungen der Stammdaten in der Lohnbuchhaltung, Formulareingaben, die Kundendatenpflege, Statusmeldungen und Versandbenachrichtigungen, das Beschwerdemanagement oder die Antragsbearbeitung. Letztendlich eignen sich für eine Automatisierung durch RPA alle strukturierten Prozesse, die immer wiederkehrenden Regeln und klaren Handlungsanweisungen folgen.
Wie erkennt man, ob sich ein Prozess für RPA eignet?
Mit Hilfe von Tools wie Process Mining und Process Recording lassen sich zur Automatisierung geeignet Prozesse schnell identifizieren, da diese Tools in der Lage sind, Prozesse daraufhin zu analysieren. Sie erkennen wo eine Automatisierung durch RPA Sinn ergibt oder ob der Software-Roboter durch die Komplexität der Aufgabe – zumindest heute noch – dem menschlichen Kollegen unterlegen ist.
Generell sind zur Automatisierung durch RPA besonders Prozesse geeignet, die
  • arbeitsintensiv sind,
  • einen hohen manuellen Anteil haben und dadurch besonders fehleranfällig sind,
  • auf strukturierten Eingangsdaten basieren,
  • ein mittleres bis hohes Transaktionsvolumen haben,
  • lange Laufzeiten haben,
  • für die keine Änderung innerhalb der nächsten Monate geplant sind,
  • regelbasiert sind, also für deren Ablauf klare Entscheidungskriterien zugrunde liegen,
  • bereits standardisiert sind, also nicht zu viele Varianten bei der Ausführung haben.
Welche Ergebnisse kann ich vom RPA-Einsatz erwarten?
Mithilfe der Automatisierung entstehen effizientere Geschäftsprozesse und somit ein besserer Kundenservice. Dank RPA können Unternehmen beispielsweise höhere Umsätze, höhere Kundenzufriedenheitsraten, höhere Datenqualität, Reduzierung von Compliance-Risiken, niedrigere Kosten, deutlich weniger Fehler und Nacharbeit sowie eine höhere Mitarbeiterzufriedenheit erwarten.
Wie lange dauert die Einführung einer RPA-Lösung?
Da eine RPA-Lösung die Benutzereingaben eines Mitarbeiters über die Benutzeroberfläche einer Anwendung nachahmt, entfällt das aufwendige Programmieren einer Anwendungsschnittstelle (API). Erfahrungsgemäß sind Prozesse in zwei bis sechs Wochen, von der Planung bis zur Inbetriebnahme, automatisierbar.
Was muss ich bei der Auswahl einer RPA-Lösung beachten?
Es gibt mittlerweile zahlreiche RPA-Softwarelösungen, die sich teils ähneln, in einigen Eigenschaften aber auch deutlich unterscheiden. Ratsam bei der Lösungsauswahl ist es deshalb genau zu prüfen, welche Anforderungen das Unternehmen an die Software und den Lieferanten stellt und welche Funktionen das Automatisierungssystem bieten muss.
Wichtig ist, dass die Lösung
  • für eine hohe Flexibilität und schnelle Skalierbarkeit Cloud-Bereitstellungsoptionen und virtuelle Maschinen bietet,
  • für eine benutzerfreundliche Anwendung über eine gute Unterstützung für verschiedene Präsentationsschichttechnologien verfügt,
  • mit einer Produktions- und Stagingumgebung ausgestattet werden kann,
  • Anmeldeinformationen und Ausführungsprotokolle in einem zentralen Datenbank-Repository bereithält,
  • durch eine Hochsicherheits-Verschlüsselung und SSL-Protokolle geschützt ist,
  • bei Bedarf eine große Anzahl an Software-Robotern verwalten kann und
  • eine hochelastische Skalierbarkeit aufweist.
Dazu kommt beispielsweise noch eine sogenannte Recorder-Funktion, die die Aufzeichnung von Prozess-Grundgerüsten ermöglicht und dadurch die Implementierungszeiten verkürzen kann. Bei einem Einsatz im größeren Rahmen sollte die Lösung entsprechende zentrale Steuerungskomponenten, Tools zum Testen und Fehleranalysen bzw. entsprechende Lizenzierungsoptionen bieten.
Erfüllt RPA die Anforderungen einer Enterprise-Software-Architektur?
Enterprise RPA ist mittlerweile eine Software-Plattform, die alle Anforderungen der Unternehmens-IT an Sicherheit, Skalierbarkeit, Revisionssicherheit und Änderungsmanagement erfüllt. Da RPA häufig für wichtige Geschäftsprozesse verwendet wird, verfügen die zentralen Steuerungskomponenten der RPA-Technologie längst über die erforderlichen Funktionen, die Firmen von unternehmensweit eingesetzter Software erwarten und kennen. Das reicht vom Erstellen und Verwalten von Rollenkonzepten in der Benutzerverwaltung, Release-Management, Reporting über Realtime Monitoring der Roboter, Alerting, Logging, Auditing bis zum Workload- und Asset-Management. Damit werden Enterprise RPA-Technologien höchsten Anforderungen an Sicherheit, Compliance, Skalierung und Ausfallsicherheit von Unternehmenssoftware gerecht.
Was muss man bei RPA in puncto Zugriffsrechte und Lizenzen beachten?
Da Software-Roboter die ihnen zugewiesenen Aufgaben vollkommen autonom ausführen und dafür Zugriff auf verschiedene Software-Anwendungen und Daten haben müssen, ist es zwingend erforderlich, in einem dedizierten Rollenkonzept zwischen Zugriffsrechten für Mensch (Mitarbeiter-Login) und Maschine (Maschinen-Login) zu unterscheiden. Schon heute wird in vielen Unternehmen in „Dialog-User“ und „System-User“ unterschieden. Die Zugriffsrechte und Anmeldeinformationen, die ein Software-Roboter für die Ausführung seiner Arbeit benötigt, müssen definiert und in einer Berechtigungsdatenbank hinterlegt werden. Dabei gelten für die „virtuelle Assistenten-Berechtigung“ die gleichen Anforderungen hinsichtlich Namenskonventionen, Verantwortlichkeiten, Benutzer- und Berechtigungsmanagement wie bei der „Mitarbeiterberechtigung“.
Wie kann ich RPA in meine Enterprise-Software-Architektur integrieren?
RPA-Roboter werden auf einer zentralen, vernetzten, IT-gestützten Infrastruktur eingesetzt, geplant und überwacht, um die Transaktionsintegrität, die Einhaltung von Unternehmenssicherheitsmodellen und die Kontinuität der Services im Einklang mit den Business Continuity-Plänen der Unternehmen zu gewährleisten. RPA-Systeme erfordern wegen ihrer hohen Integrationsfähigkeit dazu keine aufwendige Systemintegration in die bestehende IT-Infrastruktur.


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