Cloudflight
02.12.2020, 11:47 Uhr
12 IT- und Software-Trends für 2021
Trends wohin das Auge blickt. Halten Sie sich fest: Treffen die Erwartungen von Stefan Ried, Principal Analyst bei Cloudflight, ein, katapultiert uns Corona ins Jahr 2030.
Dr. Stefan Ried, Principal Analyst bei Cloudflight, kennt die IT-Trends 2021.
(Quelle: Bild: Cloudflight)
Cloudflight-Analyst Stefan Ried: "Selten in unserer Geschichte gab es ein Jahr, in dem sich die äußeren Umstände so radikal verändert haben wie im ablaufenden Jahr. Corona hat der Digitalisierung einen Schub verpasst, der sich auch 2021 fortsetzen wird. Parallel dazu werden sich auch Akzeptanz oder Ablehnung bestimmter Technologien so rasant verändern, wie wir es sonst binnen eines Jahrzehnts erleben. In diesem Sinne – willkommen im Jahr 2030!"
1. Technologieakzeptanz polarisiert weiter
Die Akzeptanz digitaler Innovationen wird die Gemüter weiter spalten. Der technikaffine Teil der Gesellschaft wird Risiken abwägen und eingehen, während der andere Teil viele dieser Technologien kategorisch ablehnen wird. Es entwickeln sich zunehmend extreme Weltanschauungen, die sich mit Verschwörungstheorien vermischen. Die Recherche von Akzeptanzkriterien wird bei der Softwareentwicklung zunehmend eine wichtige Rolle spielen, da Pilotversionen einer Software (MVPs) von vielen schon aus Prinzip nicht getestet werden.
2. Datenschutzbedenken bremsen die Digitalisierung
Auch wenn eine gesunde Skepsis gegenüber globalen Anbietern angebracht ist, ist nicht jeder amerikanische oder chinesische Cloud-Anbieter automatisch kriminell. Hier gilt es, Verträge, Sicherheitsmaßnahmen, Zertifizierungen und die Geschäftsmodelle der Anbieter zu prüfen. Viele Datenschützer bremsen die Digitalisierung dadurch, dass sie dies nicht tun und stattdessen globale Dienste verbieten. Letztlich leben Cloud-Anbieter jedoch vom Vertrauen ihrer Nutzer. Wenn sie das missbrauchen, scheitert ihr Geschäftsmodell.
3. Corona-Verlierer reagieren mit neuen Geschäftsmodellen
Da die Pandemie auch im Jahr 2021 noch allgegenwärtig sein wird, wird sich die Transformation und Erweiterung bestimmter Geschäftsfelder weiter fortsetzen. Restaurants werden zu Lieferdiensten mit Online-Bestellmöglichkeit, Veranstaltungsorganisatoren entwickeln sich in Richtung Streaming-Plattformen. Die As-a-Service Economy ersetzt frühere Investitionen, um das Risiko in der unsicheren Wirtschaftslage zu bewältigen. Es werden sich ein Rückgang von Unternehmens- oder regionalen Rechenzentren und ein überproportionales Wachstum bei Hyperscalern, also globalen Public-Cloud-Infrastrukturanbietern mit einem schnellen ROI, abzeichnen. Da diese Anbieter mittlerweile die EU-Anforderungen an Privatsphäre erfüllen, werden wir hier schon bald Veränderungen sehen.
4. Corona-Gewinner investieren in technologischen Vorsprung
Wie in jeder Krise gibt es auch in diesem Fall Profiteure. Dazu gehören Online-Händler, Logistiker, Lieferdienste und Hersteller von Schutzkleidung und Hygieneartikeln. In der IT-Branche boomen vor allem Videodienste, Netzwerkkomponenten-Anbieter und Telekommunikations-Unternehmen. Diese investieren ihre Gewinne im Jahr 2021 massiv in nachhaltige und disruptive Technologien sowie in Business-Modell- und Technologieentwicklung, um sich für die neue Wettbewerbslage nach Corona vorzubereiten. Die so genannte Circular Economy arbeitet an Upcycling-Lösungen für Rohstoffe, neue Pfandsysteme oder Lieferdrohnen.
5. Konsolidierte Marktführer schreiben ihre eigene Unternehmenssoftware
Getrieben von den Corona-Profiteuren wird sich der Trend hin zu alternativen Business-Software-Lösungen, den Branchenführer wie Otto oder Lidl bereits in den letzten Jahren eingeleitet haben, im kommenden Jahr fortsetzen. Weitere Unternehmen werden die Kosten für Implementierung und Wartung von ERP-Softwarepaketen in Frage stellen und sich alternative Unternehmenssoftware auf der Basis von Open-Source-Plattformen oder Platform-as-a-Service-Diensten, entwerfen lassen.
6. Hard- und Software – Appliances werden wieder getrennt
In vielen Fällen ist die Software traditionell vom Hersteller in die Hardware "embedded". Während sich Hardware kontinuierlich und langsamer entwickelt, wird sich die zugehörige Software künftig wesentlich schneller entwickeln. Viele OEMs versuchen daher, Software selbst zu entwickeln oder sie von Software-Partnern zu beziehen, wie Volkswagen mit seinem CarOS oder Daimler über seine Partnerschaft mit Google/Waymo. Zulieferer wie Bosch oder Continental haben ein schwieriges Jahrzehnt vor sich, in dem sie sich mit eigenen Software-Innovationen in einem neuen Ökosystem bewähren müssen.
7. Software Stack Eruption – Daten sind die neue Software
Die Rolle der Software in Bezug auf Qualität und Funktionalität wird 2021 zunehmend von Daten abgelöst werden. Es entwickelt sich eine ganze Klasse von Datenprodukten, die über Plattformen verfügbar sein werden. Bloßes Sammeln von Daten führt nicht zum Durchbruch, Algorithmen müssen anhand dieser weiterentwickelt werden. Zugleich stößt die Programmierung ohne reale Daten nur mit Simulationen im kommenden Jahrzehnt an ihre Grenzen. Entscheidend ist deshalb rasches Sammeln qualitativ guter Lerndaten in ausreichender Menge. Traditionelle Software ohne Machine-Learning-Algorithmen und künstliche Intelligenz wird zunehmend zur Commodity und durch eine Orchestrierung von Platform-as-a-Service-Diensten abgelöst.
8. Hybrid-Cloud und Multi-Cloud – Fast Forward in Richtung PaaS
Im Jahr 2021 wird die gleichzeitige Nutzung von Private und Public Clouds sowie Multi-Clouds in einer Applikationslandschaft zur Norm werden. Die Abstraktion verschiedener Cloud-Infrastrukturen mit einem auf Kubernetes basierenden Containermanagement sowie spezielle Software-Frameworks wie Googles Anthos oder Microsofts Azure Arc, werden diese Entwicklung unterstützen. Außerdem werden Nutzer 2021 auch hybride PaaS-Dienste nutzen. Dies sind Softwaredienste, die eine integrierte Managementumgebung über mehrere Hyperscalerer hinweg bieten, beispielsweise die kürzlich angekündigte Version des Datenbankdienstes Atlas von MongoDB. Private Clouds werden sich zudem wie ein zusätzlicher Public-Cloud-Anbieter nahtlos in PaaS-Verwaltungstools integrieren.
9. IoT wird Oberfläche von "Anywhere Computing"
IoT wird 2021 nicht nur eine Mainstream-Technologie, sondern sich als äußerer Rand des Edge-Computing etabliert haben. Auch wenn noch viel Zeit vergehen wird, bis sämtliche Industrieanlagen online sind, wird ab 2021 praktisch keine neue Maschine mehr gebaut, die bei der Bestellung keine Online-Option enthält. Damit ist der Sonderstatus von IoT-Devices Geschichte. Da alle Hyperscaler sämtliche Private-Cloud-Dienste anbieten werden, wird auch Edge-Computing keine Insel, sondern ein integrierter Teil einer größeren Topologie, sein. Diese Entwicklung vereinfacht die Kombination autonomer Fähigkeiten "am Edge" mit großen Datenmengen und KI-Prozessen in der Public Cloud. Damit ist der Weg für Entwicklungen wie beispielsweise autonome Robotik in großem Stil geebnet.
10. 5G-Mobilkommunikation hat in Deutschland weiter zu kämpfen
Wenngleich deutsche Telekommunikationsunternehmen äußerst profitabel sind, wird aufgrund falscher Regulierungen sowie politischem Lobbyismus auch 2021 keine flächendeckende 5G-Versorgung erreicht. Größere Unternehmen investieren stattdessen als Alternative oder Ergänzung zu WIFI-Strukturen in Campus-Netzwerke.
11. Im Jahr 2021 erreichen 30 Prozent der AI/ML-Projekte in DACH produktiven Betrieb
2021 gehören Piloten und MVPs der Vergangenheit an, sowohl im B2B- als auch im B2C-Bereich. Im Consumer-Bereich legen Realtime-Übersetzungs-Apps deutlich zu, sobald wieder mehr gereist wird. Autonomes Fahren erreicht in Europa 2021 noch nicht das Niveau, das es in den USA und China hält. Hierzulande sind rechtliche Bedenken nach wie vor nicht ausgeräumt und blockieren Innovationen auf öffentlichen Straßen. Klar definierte Zulassungsbestimmungen der EU sowie überprüfbare Tests für autonome Fahrzeuge sind längst überfällig.
12. Voice ist das neue Mobile
Es hat fast zehn Jahre gedauert, bis sich Smartphones und Tablets für die Nutzung von Content-Webseiten, E-Commerce bis hin zu ERP-Systemen durchgesetzt haben. Wesentlich schneller kommt nun "Voice-as-UI" als neues Tool voran. Auch wenn Voice-Interfaces zunächst nur begrenzt und überwiegend im Consumer-Bereich eingesetzt werden, sind bestimmte Nutzerinteraktionen im professionellen Bereich auch bereits jetzt denkbar. Künstliche Intelligenz funktioniert mit Text und gesprochener Sprache, allerdings erfährt natürliche Sprache eine höhere Nutzerakzeptanz. Corona trägt aufgrund des nun erhöhten Bedarfs an "Touchless UIs" weiter dazu bei. Textbasierte Chatbots bieten dieses Potenzial nicht.
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